„Spätestens seit Regisseur Stanley Kubrick das zweite Stück aus György Ligetis Klavierzyklus Musica Ricercata als Soundtrack zu seinem Film Eyes wide shut (1999) verwendete, ist die Klaviermusik des Ungarn auch einem großen Zuhörerkreis bekannt geworden. Ligetis suggestiv um ein markantes Kernmotiv kreisende Musik eignet sich perfekt, um die surrealen Stimmungen eines Films zu untermalen.“ (Matthias Corvin) Aus sechs Klavierstücken jenes frühen, noch in Ungarn komponierten Klavierzyklus’ formte Ligeti nach der Emigration in den Westen seine Sechs Bagatellen für Bläserquintett.
Nachdem er kurze Zeit im WDR-Studio für Neue Musik gearbeitet hatte, übersiedelte Ligeti nach Wien, das er sich später mit Berlin und Hamburg als Wahlheimat teilte. „Der Übergang in die westliche Kultur war für mich deshalb nicht schwierig, weil ich in Köln in einen Kreis kam, der mich bald akzeptierte; das rettete mich vor der Isolation. Und zu verdanken habe ich das Stockhausen, Maderna, Boulez, Koenig und anderen“ (Ligeti).
Zur Musica ricercata und den daraus hervorgegangenen Bagatellen bemerkte Ligeti später, die Sammlung sei „noch weitgehend von Bartók und Strawinsky beeinflusst. Das erste Stück enthält nur zwei Töne (samt Oktavtranspositionen), das zweite drei usw., so dass das elfte Stück (eine monotone Fuge) alle zwölf Töne verwendet.“ In der Bearbeitung für Bläserquintett geht diese klare Ordnung zwar verloren, immer noch aber beruhen die einzelnen Sätze auf nur ganz wenigen Tönen. Im Bläserquintett fällt dies weniger auf als in der Originalfassung für Klavier, denn hier konnte Ligeti die Töne immer wieder in andere Instrumente und Oktavlagen versetzen. Zudem ändern die Musiker ständig ihre Klangfarben, der Flötist wechselt von der großen auf die kleine Flöte, den Piccolo usw. Auf diese Weise entstand aus den monochromen Klavierstücken der Musica ricercata eine vielfarbige Suite von überaus pfiffigen und fetzigen Bläserstücken.
Das Werk ist in Bogenform angelegt: Die erste und sechste Bagatelle fungieren als schnelle Ecksätze, Nr. II und V als langsame Intermezzi, wobei der zweite Satz das ungarische Tempo rubato verwendet, dem man auch bei Bartók begegnet, während der fünfte eine von Bartók inspirierte Klagemelodie der Flöte über stockende Akkorde stellt. Béla Bartók in memoriam hat Ligeti über diesen bewegenden Satz geschrieben. Die beiden Mittelsätze bilden ein Gegensatzpaar aus Scherzi: Nr. IV als Allegretto grazioso, walzerhaft ruhig und singend, mit gedämpftem Fagott und weichen Klangfarben; Nr. V als unbändiges Presto ruvido aus quasi gemeißelten Akkorden im 7/8-Takt.
Verlag: | Schott (1973) |
Besetzung: | 00-1111-1000-00 |